Inflation, Rohstoffknappheit und Klimakrise: Was den Versicherungsmarkt 2022 bewegt

In der Industrieversicherung bleiben die Marktbedingungen extrem angespannt. Wie sich Inflation und Lieferkettenprobleme auf Schadenregulierung und Versicherungssummen auswirken – und was Unternehmen jetzt beachten sollten.

Klimakrise, Coronapandemie und dann auch noch Krieg: Die aktuelle Situation in Europa verursacht unermessliches Leid. Unzählige Menschen haben ihr Hab und Gut, ihre Gesundheit, ihre Heimat oder sogar ihr Leben verloren.

Auch wer nicht direkt betroffen ist, spürt zumindest indirekt die wirtschaftlichen Folgen: Güter sind teilweise knapp und Güter sind zunehmend teuer. Diese Tendenz wird sich noch verschärfen. Das liegt vor allem daran, dass die Coronapandemie nach wie vor für Engpässe in der globalen Lieferkette sorgtund der Krieg in der Ukraine die Energie- und Erzeugerpreise steigen lässt. Was für den privaten Gang in den Supermarkt gilt, gilt genauso für die Beschaffung von Rohstoffen in der Industrie oder den Kauf von Baumaterialien: Einkaufen ist teuer geworden. Im April 2022 lagen die Erzeugerpreise um rund 34 Prozent höher als vor einem Jahr. Die Inflation wird nun auch in der Versicherungswirtschaft zunehmend zur Herausforderung.

„Einen Sachschaden zu regulieren – z. B. wenn eine Werkshalle abgebrannt ist – kostet heute deutlich mehr als noch vor einem Jahr, weil die Wiederaufbau- bzw. Wiederbeschaffungskosten gestiegen sind“, sagt Nadine Benkel, Leiterin Team Market Management bei Funk. „Dieser Effekt ist vor allem in den Sparten Sach-Versicherung, Transport-Versicherung und Technische Versicherung spürbar.“ Neben der Industrie ist auch die Wohnungswirtschaft stark betroffen, hier werden Versicherungsprämien mittelfristig möglicherweise weiter steigen.

Aufgrund der internationalen Rohstoffknappheit von Holz, Stahl, Zement, Metallen und Kunststoffen sind die Wiederaufbaukosten im Schadenfall deutlich höher als in den Jahren zuvor. Ein Beispiel verdeutlicht das Problem: Die aktuellen Preisaufschläge bei Baustahl verteuern typische Stahlkonstruktionen für Industriehallen derzeit um etwa 50 Prozent. Bei versicherten Vorräten bzw. Lagergütern beträgt der Wert-Aufschlag oft sogar 100 Prozent und mehr – jeweils im Vergleich zum Jahr 2021. Dazu kommt, dass durch die Sanktionen gegenüber Russland Importe für Stahl und Eisen fehlen. Auch wurde die Ukraine als Zulieferland für die deutsche Wirtschaft von vielen Unternehmen unterschätzt.

Die Inflation steigert das Risiko der Unterversicherung

Die Inflation war bereits im Winter 2021/2022 spürbar, wurde von den größten Notenbanken aber noch als vorübergehend bezeichnet. Der Angriffskrieg von Russland auf die Ukraine hat die Situation nun nicht nur aufrechterhalten, sondern verschärft. Die anhaltende Inflation mit den beschriebenen Mehrkosten in der Schadenregulierung birgt nun die Gefahr der Unterversicherung bei zahlreichen Unternehmen. „Neben den höheren Sachwerten auf gelagerte Vorräte oder Rohstoffe wie Metalle, Öl und Gas, sind möglicherweise die Gebäude- und Inhaltswerte angesichts der höheren Wiedererrichtungskosten zu klein bemessen und sollten angepasst werden“, empfiehlt Dr. Alexander Skorna, Geschäftsführer Funk Consulting. Dabei gelte es, sowohl die reinen Materialkosten zu berücksichtigen als auch die höheren Lohnkosten – eine Folge des Fachkräftemangels – und die Versicherungswerte zur Betriebsunterbrechung, die wegen Problemen in der Lieferkette steigen. Skorna: „Die Betriebsunterbrechung verlängert sich oft über das zuvor prognostizierte Schadenausmaß hinaus. Hier sollten Unternehmen zusätzlich die vereinbarten Haftzeiten überprüfen und bei Bedarf verlängern.“

 

Versicherungssummen frühzeitig überprüfen

Eine Unterversicherung kann im Schadenfall für betroffene Unternehmen kritische Konsequenzen haben, sofern kein Unterversicherungsverzicht vereinbart ist. Versicherer können bei Sachschäden die Regulierungssumme anteilig kürzen, wenn die Versicherungssumme signifikant niedriger ist als die tatsächlichen Wiederherstellungskosten.

„Die Wertzuschlagsklauseln sollen sicherstellen, dass die Versicherungssummen an eine veränderte Preisentwicklung automatisch angepasst werden. Aufgrund der starken Inflation ist nun aber nicht mehr in allen Fällen sichergestellt, dass diese Standard-Klauseln die Erhöhung der Versicherungswerte ausreichend abbilden.“

Nadine Benkel, Leiterin Team Market Management

Die Wertzuschlagsklauseln, die in den meisten Versicherungsverträgen enthalten sind, greifen hier nur bedingt. Nadine Benkel: „Diese Klauseln sollen sicherstellen, dass die Versicherungssummen an eine veränderte Preisentwicklung automatisch angepasst werden. Aufgrund der starken Inflation ist nun aber nicht mehr in allen Fällen sichergestellt, dass diese Standard-Klauseln die Erhöhung der Versicherungswerte ausreichend abbilden.“ Funk rät Unternehmen deshalb, ihrer Versicherungssummen für Gebäude, Maschinen und Anlagen sowie Lagerbestände zu überprüfen. Auch Summen für Betriebsunterbrechung und ggf. kombinierte Höchstentschädigungen sollten einen Plausibilitätstest durchlaufen. Die Funk Expertinnen und Experten unterstützen Sie gern dabei und stehen Ihnen beratend zur Seite.
 

Auswirkungen auf Ausfallrisiken und die Finanzierung von Unternehmen

Werden die Forderungen aus Lieferung und Leistung durch eine Kreditversicherung gegen Ausfallrisiken abgesichert, ziehen steigende Absatzpreise einen höheren Kreditlimit-Bedarf nach sich. Dieser trifft derzeit auf eine noch immer vorsichtige Zeichnungspolitik der Kreditversicherer – wobei sich die Situation im Vergleich etwa zur Jahresmitte 2021 etwas entspannt hat.

Neben den einzelnen Kreditlimiten sollten Unternehmen auch die sogenannte Höchstentschädigung beachten, die jeder Kreditversicherungsvertrag vorsieht. Diese begrenzt die Entschädigungsleistung, die der Versicherer für Schäden eines Versicherungsjahres zahlt; sie sollte so bemessen sein, dass sie mindestens das größte Einzelrisiko (oder Abnehmergruppe bei verbundenen Unternehmen) abdeckt.

Gestiegene Preise für Vorprodukte führen außerdem zu einem höheren Liquiditätsbedarf. Flexible bankenunabhängige Finanzierungsinstrumente (z. B. Factoring) erweisen sich häufig als vorteilhafte Ergänzung zur klassischen Bankfinanzierung. Lieferanten sehr knapper Vorprodukte setzen ihre Marktmacht derzeit vermehrt ein, um mit ihren Abnehmern Vorauszahlungen für künftige Lieferungen zu verhandeln. Das führt neben der Herausforderung für das Working Capital Management zu einem zusätzlichen Ausfallrisiko auf der Lieferantenseite, das sich ähnlich den Ausfallrisiken bei Warenforderungen auf einen Versicherer transferieren lässt. Die Spezialistinnen und Spezialisten von Funk erarbeiten passende Lösungen und helfen Unternehmen so, Marktchancen im gegenwärtig schwierigen Umfeld bestmöglich zu nutzen.
 

Die Klimakrise sorgt für Rekordschäden

Hinsichtlich Coronapandemie und Ukraine-Krieg ist die Klimakrise in der medialen Berichterstattung etwas in den Hintergrund geraten. Doch sie ist nach wie vor spürbar, wie erst jüngst die Tornados zeigten, die durch Nordrhein-Westfalen zogen und zahlreiche Orte verwüsteten. Aufgrund von Extremwetterkatastrophen könnte es weiter zu einem starken Anstieg der Schadenfälle durch Naturgefahren kommen.

Das Jahr 2021 war hier ein Rekordjahr: Naturkatastrophen wie tropische Wirbelstürme, Waldbrände und Überschwemmungen verursachten einen Gesamtschaden von 280 Milliarden US-Dollar, weniger als die Hälfte davon war versichert. Der Sturm „Bernd“ ist mit rund zehn Milliarden Euro an versicherten Schäden der größte Schaden der deutschen Versicherungsgeschichte. Im Jahr 2022 könnten diese Rekordsummen nochmals ansteigen: Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft beziffert allein die Schäden durch die Februar-Stürme in Deutschland bereits auf rund 1,4 Milliarden Euro. Diese zunehmenden Schäden durch die Klimakrise belasten die Bilanzen der Versicherer, die diese Kosten zumindest teilweise an ihre Kunden weitergeben.

Wie sich Elementargefahren sinnvoll absichern lassen erfahren Sie in unserem Artikel über Naturgefahren.

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Der Versicherungsmarkt bleibt angespannt

Die aufgezeigten Entwicklungen belasten vor allem die Sach-Versicherer, die ohnehin schon seit Jahren mit versicherungstechnischen Herausforderungen zu kämpfen haben. Der finanzielle Verlust deutscher Sach-Versicherer in den vergangenen vier Jahren wird trotz der Prämiensteigerungen seit einigen Jahre auf insgesamt ca. 7,5 Milliarden Euro geschätzt. Daher ist davon auszugehen, dass der Ertragsdruck bei Versicherern im Jahr 2022 bestehen bleibt und diese ihre Sanierungsbemühungen fortsetzen werden. Diese Entwicklung wird sich unmittelbar auf die versicherten Unternehmen auswirken, die bereits mit hohen Brandschutzanforderungen, Bedingungseinschränkungen wie Cyber- und Pandemieausschlüssen und Kapazitätsreduzierungen konfrontiert sind. Auch werden in diesem Jahr bedingt durch den Ukraine-Krieg Territorialausschlüsse für Russland, Belarus und die Ukraine in den Versicherungsverträgen folgen. 

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Dr. Alexander Skorna Ansprechpartner bei Funk
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Wie Unternehmen jetzt ihr Risikomanagement optimieren

Funk unterstützt in angespannten Marktumfeldern mit umfangreichen Services und Leistungen:

  • Mit dem  SMART BU-Check können Unternehmen eine Plausibilisierung von Versicherungssummen, Höchstentschädigungen und Limiten im Kontext der Ertragsausfall-Versicherung vornehmen.
  • Die  Risiko-Analyse legt den Fokus auf Naturgefahren wie Überschwemmung, Hochwasser, Sturm, etc. und liefert eine Plausibilisierung des Versicherungsschutzes.
  • Funk unterstützt auf Wunsch bei der Bewertung von  politischen Risiken weltweit und stellt passende individuelle Versicherungslösungen vor.
  • Eine Analyse von Zulieferer-Risiken ist auch im Hinblick auf das bevorstehende  Lieferkettensorgfaltsgesetz (LkSG) sinnvoll.

13. Juni 2022