
PFAS – GDV-Ausschlussklausel und aktuelle Entwicklungen
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ergänzt seine Musterbedingungen um eine Klausel zum Umgang mit PFAS: Zunächst erfolgt ein pauschaler Ausschluss möglicher Schäden, später können individuelle Deckungsvereinbarungen getroffen werden. Die Neuerung stößt in der Versicherungsbranche auf kontroverse Reaktionen. Ein Überblick zur aktuellen Lage.
Was Sie über PFAS wissen sollten:
Was sind PFAS-Chemikalien?
Bratpfanne, Teppichboden, Regenjacke: PFAS-Chemikalien sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und deshalb in zahlreichen Alltagsgegenständen zu finden. Die mehr als 10.000 Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (kurz: PFAS) sind extrem stabil und können in der Industrie vielseitig eingesetzt werden. Weil sie so langlebig sind, werden PFAS auch als „Ewigkeits-Chemikalien“ bezeichnet. Sie kommen ursprünglich in der Natur nicht vor und werden dort deshalb auch nicht gut abgebaut. Das wird zum Beispiel dann ein Problem, wenn die Chemikalien über Böden und Gewässer in die Nahrungskette eintreten. Einige Varianten können im Körper von Tieren und Menschen noch Jahre später nachgewiesen werden. Die Stoffe werden verdächtigt, gesundheitsschädlich zu sein.
Typische Anwendungsbereiche von PFAS
PFAS sind in zahlreichen Produkten des täglichen Lebens enthalten. Ein großer Teil der aktuellen Verschmutzung von Böden stammt zum Beispiel von der Verwendung in Feuerlöschschaum. In der Industrie werden die Chemikalien außerdem in folgenden Bereichen verwendet (Auswahl): Brennstoffzellen, Leitungselektronik, Dichtungen, Kabel, Ventile, Pumpen, Schläuche, Photovoltaikanlagen, Sicherheitsbekleidung, Heizung- und Klimageräte.
Welche Branchen sind besonders betroffen?
Aktuell sind folgende Branchen im besonderen Fokus der Versicherer
- Chemie, insbesondere Hersteller von PFAS
- Hersteller von Feuerlöschschäumen, die PFAS enthalten, inkl. Zulieferer
- Unternehmen mit PFAS-Schadenerfahrung, unabhängig von der Frage der Versicherung
- Unternehmen, die regulatorischen Untersuchungen zum PFAS-Exposure unterliegen
- Unternehmen, die in großen Mengen PFAS in der Produktion einsetzen, z. B. in Elektroteilen, bei Halbleitern oder Kabeln
- Hersteller von Konsumprodukten mit PFAS als Produktbestandteil, z. B. Textilien, Kosmetik- und Hygieneprodukte, Lebensmittelverpackungen
Neben den aufgezählten können auch andere Branchen betroffen sein, zum Beispiel Gesundheit + Soziales oder die Immobilienbranche. Funk empfiehlt Unternehmen, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen, Ersatzstoffe zu finden, die weniger problematische Eigenschaften haben.
Die EU plant ein Verbot zur PFAS-Verwendung
Die EU will die Verwendung und das Inverkehrbringen von PFAS weitestgehend verbieten. Obwohl noch keine entsprechende Gesetzeslage verabschiedet wurde, ist die Industrie bereits alarmiert. Denn für viele Verwendungszwecke von PFAS gibt es zumindest kurzfristig keine guten Alternativen. Das Umweltbundesamt hat zusammen mit Behörden aus Deutschland und weiteren EU-Ländern einen Vorschlag zur EU-weiten Beschränkung von PFAS bei der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) eingereicht. Der Vorschlag wird aktuell geprüft.
In Planung:
- Ein grundsätzliches Verbot für die gesamte Stoffgruppe inklusive spezifischer Ausnahmeregelungen.
- Ein grundsätzliches Verbot für die Herstellung, das Inverkehrbringen (einschließlich des Importes) und der Verwendung von PFAS als solches, als Bestandteil anderer Stoffe, in Gemischen und in Erzeugnissen oberhalb einer bestimmten Konzentrationsgrenze.
- Eine allgemeine 18-monatige Übergangsfrist nach Inkrafttreten. Für bestimmte Verwendungsarten und Stoffgruppen sind bereits jetzt längerfristige Ausnahmen geplant.
- Einige Ausnahmen: PFAS sollen weiterhin in Bereichen erlaubt sein, in denen es auf absehbare Zeit keine geeigneten Alternativen geben wird bzw. die sozio-ökonomischen Vorteile die Nachteile für Mensch und Umwelt überwiegen. Mögliche Beispiele dafür sind die Herstellung von Halbleitern, persönliche Schutzausrüstung für Rettungs- und Sicherheitskräfte sowie Medizinprodukte.
Neue GDV PFAS-Ausschluss-Muster-Klausel
Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) ergänzt seine unverbindlichen Musterbedingungen um eine Vertragsklausel, die den Umgang mit PFAS regelt. Zunächst werden potenzielle Schäden pauschal ausgeschlossen. In einem weiteren Schritt können jedoch individuelle Vereinbarungen getroffen werden, die festlegen, unter welchen Bedingungen und in welchem Umfang eine Deckung für bestimmte PFAS-Verbindungen möglich ist. Diese Entwicklung sorgt für kontroverse Diskussionen in der Versicherungsbranche und der Wirtschaft.
Was regelt die neue GDV-PFAS-Klausel?
Die neue PFAS-Klausel ermöglicht es Versicherern, Schäden durch diese Chemikalien grundsätzlich auszuschließen. Die Formulierung ist weit gefasst und bezieht sich auf alle PFAS-Verbindungen – unabhängig von ihrer konkreten Gefährdung oder Verwendung. Weiterhin besteht die Möglichkeit, bestimmte PFAS-Verbindungen nachträglich in den Versicherungsschutz aufzunehmen. Der Hintergrund dafür ist die wachsende regulatorische und gesellschaftliche Sensibilisierung für die Risiken der sogenannten Ewigkeitschemikalien. Doch dieser Schritt ist fakultativ und erfordert eine individuelle Vereinbarung zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer.
Hintergrund: Haftungsrisiken und Unsicherheit
Der Vorstoß des GDV ist eine Reaktion auf mögliche Haftungsrisiken – insbesondere im Lichte milliardenschwerer Schadensersatzforderungen in den USA und zunehmender regulatorischer Aktivitäten in Europa. Da viele PFAS-Stoffe noch unzureichend erforscht sind, wollen Versicherer ihre Risiken minimieren.
„Ob sich die Versicherer tatsächlich der Klausel des GDV anschließen, scheint (noch) nicht ausgemacht. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass die Wirkmacht des GDV deutlich abgenommen hat, es gibt keinen Automatismus mehr, dass alle Versicherer den Vorschlägen des GDV folgen.“
Kritik: Pauschaler Ausschluss geht zu weit
„Die Klausel kommt überraschend und schießt mit ihrem Komplettausschluss über das Ziel hinaus“, erklärt Jan Timmermann, Leiter Haftpflicht bei Funk. „Auch wenn für die gesamte Gruppe der über 10.000 unterschiedlichen PFAS-Verbindungen möglicherweise ein Risiko besteht, ist bislang nur für einen Bruchteil dieser Stoffe eine Gefährlichkeit wissenschaftlich belegt.“
Ein pauschaler Ausschluss könnte auch unkritische Anwendungen betreffen und die Versicherbarkeit unnötig einschränken. Bisher war es üblich, PFAS-Risiken individuell zu prüfen – z. B. mittels Fragebögen – und nur bei erhöhtem Risiko Ausschlüsse zu vereinbaren. Das diese Praxis zunächst weitergeführt wird, wurde uns von diversen Versicherern, zu erkennen gegeben.
Timmermann: „Für die versicherungsnehmende Wirtschaft entsteht (wieder einmal) der Eindruck, dass die Versicherer immer dann, wenn etwas „gefährlich“ werden könnte, rechtzeitig die Reißleine ziehen und flächendeckende Komplettausschlüsse bringen, anstatt sich mit den Einzelrisiken zu beschäftigen.“
Was bedeutet die Klausel für Unternehmen?
Wichtig: Die GDV-Klausel ist nicht bindend. Versicherer können sie übernehmen, müssen es aber nicht. Viele Anbieter setzen weiterhin auf eine Einzelfallprüfung. Insbesondere die Haltung der Rückversicherer wird entscheidend sein. Bisher gibt es keine umfassende Linie zum PFAS-Ausschluss. Unternehmen müssen jedoch damit rechnen, dass künftig vermehrt Nachweise und Risikoanalysen verlangt werden.
Fazit: Differenzierter Umgang statt pauschaler Ausschluss
Ein pauschaler PFAS-Ausschluss schafft Unsicherheit und verhindert individuelle Risikobewertungen. Die Versicherungsexperten bei Funk plädieren für einen faktenbasierten, differenzierten Ansatz, der tatsächliche Gefahren bewertet und tragfähige Lösungen ermöglicht. Funk beobachtet die weiteren Entwicklungen und hält Sie als verlässlicher Risikopartner auf dem Laufenden.
Unternehmen sollten PFAS-Risiken prüfen
Die Auswirkungen auf Unternehmen sind sehr individuell. Um die Risiken strategisch auswerten und minimieren zu können, empfiehlt Funk folgende Maßnahmen:
- Analyse der Produktpalette und der Lieferketten auf PFAS-Risiken
- Prüfung, ob es für das Unternehmen Ausnahmeregelungen gibt
- Bewertung der Auswirkungen eines Verbotes auf die Geschäftstätigkeit, dabei auch
- Folgenabschätzung wie z. B. Kosten von Lieferantenwechsel oder Ersatzstoffen
- proaktive Prüfung, ob eine Nutzung von PFAS anderweitig kompensiert werden kann, Entwicklung von Substitutionsstrategien
Wir unterstützen Sie bei der PFAS-Risikoauswertung
Das Team von Funk Consulting unterstützt gern, zum Beispiel bei der Risikoanalyse oder der Erstellung von Rückruf-Plänen.
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