Die Versicherungswirtschaft im Wandel

Die Versicherungsbranche ist im Umbruch. Im Interview mit Funk Forum spricht Claudius Jochheim, Geschäftsführender Gesellschafter bei Funk, über seine Anfänge im Unternehmen, über zunehmende politische Unsicherheit, Digitalisierung bei Funk und die kommenden Entwicklungen in der Versicherungswirtschaft.

Claudius Jochheim, Geschäftsführender Gesellschafter bei Funk

Herr Jochheim, Sie hatten am 1. November 2016 Ihr 30-jähriges Jubiläum bei Funk. Wenn Sie zurückschauen, was fällt Ihnen spontan ein?

Ausgehend vom Fall der Mauer bis hin zum Ausbruch der großen internationalen Finanzkrise haben wir eine Phase großer Stabilität erleben dürfen.


Und wenn Sie auf die Gegenwart schauen und die aktuellen Strömungen betrachten?

Dann ist von dieser Stabilität sowohl in politischer wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht mehr viel übrig geblieben. Wir müssen uns daran gewöhnen, mit zunehmender Unsicherheit zu leben. Als besonders bedenklich empfinde ich den Wandel in den westlichen Demokratien, wo offensichtlich der gesellschaftliche Konsens mehr und mehr verloren geht. Ein immer größerer Teil der Bevölkerung fühlt sich von wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen abgekoppelt. Es scheint zunehmend zu reichen, diese Menschen zu emotionalisieren; konkrete Problemlösungen sind nicht mehr gefragt. Ein Phänomen, das sowohl bei der Brexit-Debatte in Großbritannien wie auch im Wahlkampf in den USA sehr deutlich zutage trat.

 

Welche Themen werden die Versicherungswirtschaft künftig beherrschen?

Zentrales Thema und Treiber für Veränderungen ist die Digitalisierung. Dies gilt für die gesamte Wirtschaft und somit auch für die Versicherungswirtschaft. Die digitale Transformation wird alles übertreffen, was wir bisher an Veränderungen erlebt haben. Die Branche wird umdenken und deutlich schneller werden müssen.

 

Wie sieht die Digitalisierung konkret bei Funk aus?

Einiges haben wir bereits geschafft. Es gibt im Kontakt mit den Kunden kaum noch Papier, hier sind die Schnittstellen weitestgehend digitalisiert und entsprechend schlank. Unser Kundenportal „MeinFunk“ soll unseren Kunden die einfache und übersichtliche Organisation ihrer Versicherungsthemen ermöglichen. Die entscheidende Frage ist: Welchen Nutzen bringt die Digitalisierung den Kunden? Die Digitalisierung ist ein laufender Prozess, der uns immer weiter fordern wird.

 

Was bedeutet aus Ihrer Sicht die Digitalisierung für die Menschen, die in der Versicherungsbranche arbeiten?

Die Digitalisierung erfordert eine veränderte Bildungspolitik, und zwar sowohl in den Schulen und Hochschulen als auch in der betrieblichen Bildung, um die Menschen in die Lage zu versetzen, mit der Digitalisierung Schritt zu halten. Eine Hauptherausforderung wird darin bestehen, unsere gesamte Mannschaft mental und inhaltlich fit zu machen für die Digitalisierung, also auch Kollegen wie mich, die nicht mit digitalen Medien aufgewachsen sind. Schließlich können wir nicht darauf warten, irgendwann ausschließlich Digital Natives eingestellt zu haben. Hier wird unsere hauseigene Funk Akademie sicher wertvolle Beiträge leisten.

 

Welche Auswirkungen könnte dies auf die Zusammenarbeit im Hause Funk haben?

Künftig werden wir sicher noch teamorientierter arbeiten, als wir das jetzt bereits praktizieren. Darauf müssen wir uns bei Funk erst noch einstellen und die Bereitschaft entwickeln, deutlich stärker als bisher Verantwortung in nachgelagerte Ebenen zu delegieren und insbesondere bei Veränderungsprozessen eine stärkere Try-and-Error-Kultur zu entwickeln. Wir werden den Markt – die Wettbewerber, die Versicherer, die Kunden – genau beobachten und analysieren, wer wo Mehrwerte schafft. Wir müssen aber stets in der Lage sein, mindestens als „First Follower“ auf Veränderungen schnell zu reagieren und diese zum Nutzen unserer Kunden umzusetzen.

 

Welche neuen versicherbaren Risiken bringt die Digitalisierung mit sich?

Generell kommen völlig neue Versicherungsthemen auf uns zu: Denken Sie an selbstfahrende Autos. Heute heißt es bei einem Unfall: Bezahlt es deine oder meine Haftpflicht-Versicherung? Künftig aber könnte, wenn ein Programmierfehler die Ursache ist, der Hersteller verantwortlich sein. Ähnliches gilt für die Versicherungen von Robotern oder Drohnen. Ist der Besitzer in der Pflicht? Oder der Hersteller? Das sind Fragen, für die wir in unserer Branche neue Lösungen entwickeln müssen.

Anderes Beispiel: Im Internet of Things werden zukünftig die Produktionsanlagen mit den entsprechenden Lagern vernetzt und digital gesteuert sein, um nur ein Beispiel zu nennen. Die zunehmende Vernetzung sorgt auch für zunehmende Angreifbarkeit.

Oder lassen Sie es mich anders sagen: Aus meiner Sicht ist das Thema „Cybercrime“ die Achillesferse der Digitalisierung. Insofern gilt es hier mit Sicherheit, neue Analysemodelle und neue Versicherungslösungen zu entwickeln, wie es uns zum Beispiel mit unserem Produkt CyberSecure schon gut gelungen ist.

 

Ein Thema, welches Versicherer und Kunden aktuell sehr bewegt, ist der anhaltende Niedrigzins. Welche Entwicklung sehen Sie da? 

Wir erleben aktuell so etwas wie eine Abschaffung der Zinsen. Und Mario Draghi hat mehrmals deutlich gemacht, dass die Europäische Zentralbank daran in absehbarer Zeit nichts ändern wird. Mag diese Niedrigzinspolitik bei der Eurorettung einen wertvollen Beitrag geleistet haben, so hat sie doch nun außerordentlich negative Konsequenzen, insbesondere für die Versicherungsbranche und die Sparer. Ein signifikant über Null liegender Garantiezins ist auf absehbare Zeit mit sicheren Anlagen nicht zu erzielen. Auf der anderen Seite macht schon ein Blick auf die demografische Entwicklung in Deutschland deutlich, wie wichtig Altersvorsorge für jeden heutzutage ist. Dennoch: Mit neuen, an den Kapitalmarkt angelehnten Produkten wird man auch künftig eine vernünftige Rendite und eine gute Altersvorsorge sicherstellen können. Professionelle Beratung ist somit im Bereich der Vorsorge nötiger denn je zuvor.

 

Die Bauwirtschaft profitiert vom Niedrigzins – in den Metropolen gibt es einen regelrechten Bauboom. Welche Entwicklungen sehen Sie hier und was bedeuten diese für Funk?

Es ist nicht allein der Niedrigzins, der den Bauboom befeuert. Es ist auch die zunehmende Nachfrage nach Wohnraum in den Ballungsgebieten und das Streben nach sicherer Anlage in Immobilien. Ich denke, hier sind wir hervorragend aufgestellt, da sowohl die Immobilienbranche wie auch die Bauwirtschaft seit Jahrzehnten wichtige Zielgruppen für Funk sind, in denen wir eine außerordentliche Expertise besitzen. Beispiel ist die Versicherung komplexer Großbauvorhaben, die eine unserer ausgesprochenen Spezialkompetenzen ist.

 

Wie wird sich die Rolle des Industrieversicherungsmaklers entwickeln?

Hier will ich naturgemäß nur für Funk sprechen. Die persönliche Beratung wird ein wichtiger Bestandteil unserer Dienstleistung bleiben, weil die jeweiligen Versicherungsprogramme individuell zugeschnitten werden müssen. Allerdings wird sich unser gesamtes Dienstleistungsprofil in den kommenden Jahren deutlich weiterentwickeln: Ein zentraler Bereich bleibt natürlich der Versicherungsmakler als Sachwalter unserer Kunden. Daneben wird unsere Rolle als Consultant immer wichtiger. Die Nachfrage nach Beratung und Risikoanalyse wird in unsicheren Zeiten zunehmen, und zwar auch in puncto nicht versicherbarer Risiken. Hier sind wir heute ja bereits mit unseren Spezialfirmen Funk Consulting GmbH oder Funk Health Care sehr kompetent unterwegs. Diese Dienstleistungen werden wir sicher ausbauen. Die dritte tragende Säule bei Funk wird die Rolle des Assekuradeurs Th. Funk & Sohn sein. Zum einen aufgrund seiner Zeichnungsvollmacht für diverse Versicherer, vor allem aber auch bezüglich des Themas „Schadenregulierung“. Hier muss sich unsere Branche nach dem entsprechenden BGH-Urteil neu aufstellen. Funk hat dies bereits weitestgehend vollzogen.

 

Zum Schluss würde uns interessieren: Wie wird Funk Ihrer Einschätzung nach in 30 Jahren aussehen?

Diese Frage kann ich leider nicht ernsthaft beantworten, denn sinnvolle Prognosezeiträume werden heute immer kürzer. Das Wissen entwickelt sich exponentiell, entsprechend schnell kommt es zu Veränderungen, vor allem im technologischen Bereich.

Mit Sicherheit lässt sich auf diese Frage also nur antworten: In den nächsten 30 Jahren verändert sich die Welt – und damit auch Funk – um ein Vielfaches gravierender und schneller, als dies in den vergangenen 30 Jahren der Fall war. Umso wichtiger ist eine ausgeprägte Unternehmenskultur. Dies gilt sowohl für das Miteinander im Hause Funk als auch für das Verhältnis zu unseren Kunden. Und da bin ich mir sicher, dass wir uns bei Funk auch künftig von einem Grundsatz leiten lassen, den unsere Gründerväter vor mehr als 137 Jahren formuliert haben mögen: „Sei ehrlich und fair zu Deinen Kunden. Hör ihnen genau zu. Versuche, ihre Bedürfnisse zu verstehen und nachzuvollziehen. Versetz Dich in ihre Lage. Sei da, wo sie Dich brauchen, selbst wenn es einen Umweg bedeutet.“

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