Getrennte Wege in der Logistik

Aufruhr in der Transportbranche: Die Verbände der verladenden Wirtschaft und der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) konnten sich nicht auf gemeinsame AGB einigen. Für die Versicherbarkeit von Transporten hat das Konsequenzen.

Zwei Jahre haben sie gerungen – und am Ende keine Einigung erzielt: Die Verbände der verladenden Wirtschaft auf der einen Seite und der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) auf der anderen Seite wollten die seit 2003 geltenden Allgemeinen Deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) überarbeiten. Diese ADSp waren bis dahin eine Regelung zwischen Spediteuren und Verladern und bildeten die Grundlage für deren Zusammenarbeit. Seit Anfang des Jahres empfiehlt nun jeder der Verbände sein eigenes Bedingungswerk. Dies sind für Spediteure die ADSp 2016 und für Verlader die Deutschen Transport- und Lagerbedingungen (DTLB). Konsequenz: Fortan muss man sich bei Abschluss eines neuen Vertrags jeweils darüber einigen, welches Bedingungswerk es denn nun sein soll. Will ein Lebensmittelhersteller beispielsweise Bananen vom Hamburger Hafen per Lkw nach München transportieren lassen, müssen Beförderungsunternehmen und Lebensmittelhersteller regeln, welches Regelwerk gilt.

„Die Situation seit Anfang 2016 lässt sich auf die Formel bringen: ‚Mein Bedingungswerk – dein Bedingungswerk – oder eben kein Bedingungswerk‘.“

Thilo Wandel, Leiter Abteilung Transport-Versicherungen

Gibt es solch eine Einigung nicht – was vorkommt, denn im Massengeschäft wird diese Frage häufig schlichtweg übersehen – so greift automatisch das Gesetz, hier das Handelsgesetzbuch (HGB), mit einer Haftung von 8,33 Sonderziehungsrechten je Kilogramm (ca. 10 Euro). Das HGB lässt aber bewusst Raum für abweichende Regelungen durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), um den Interessen beider Seiten Rechnung zu tragen. Beispielhaft sei § 449 Absatz 2 HGB genannt, wonach innerhalb eines Korridors von 2 bis 40 Sonderziehungsrechten von der gesetzlichen Regelung durch AGB abgewichen werden kann, um Gewicht und Wert unterschiedlicher Güter angemessen zu berücksichtigen. Thilo Wandel, Leiter der Abteilung Transport-Versicherungen bei Funk, sagt: „Die Situation seit Anfang 2016 lässt sich auf die Formel bringen: ‚Mein Bedingungswerk – dein Bedingungswerk – oder eben kein Bedingungswerk‘. Künftig müssen die Partner bei Vertragsabschluss in ihren Geschäftsdokumenten und ihrer Korrespondenz ausdrücklich auf die gewünschten AGB als Vertragsgrundlage hinweisen. Gleichzeitig sind die Unterlagen des Geschäftspartners aufmerksam bezüglich der Verwendung möglicher abweichender AGB zu prüfen.“ Die Verhandlungen zwischen den Verbänden scheiterten vor allem aufgrund fehlender Einigung bei den Haftungsregelungen.

Kompakt: DTLB vs. ADSp

Die DTLB und die ADSp 2016 unterscheiden sich in den Punkten Haftung, Notfallkonzept und Preisgestaltung. Die DTLB belasten die Spediteure stärker als die ADSp. Der Anwendungsbereich der DTLB beschränkt sich auf Transport- und Lagerverträge, Speditionsverträge sind vom Anwendungsbereich ausgenommen. Somit sind die DTLB von vornherein für den Verlader nur eingeschränkt brauchbar. 

Unsicherheit bei Haftungsfragen

Für die Versicherbarkeit von Transporten bedeutet diese fehlende Einigung vor allem eine Änderung bei der Haftung. So erhöhen die ADSp 2016 die Haftungssummen der Spediteure für Güterschäden. Galt bisher gemäß ADSp eine Haftungssumme von 5 Euro je Kilo für Güterschäden im speditionellen Gewahrsam, so sind es nun rund 10 Euro je Kilo. Für Lagerverträge hat sich bei Verwendung der neuen ADSp die Höchsthaftungssumme für Schadenfälle sogar verfünffacht – von 5.000 Euro auf 25.000 Euro. Weitere Neuerungen neben Anpassungen an zwischenzeitlich erfolgte Gesetzesänderungen und Entwicklungen in der Rechtsprechung betreffen Standgelder, Palettentausch, Notfallkonzept oder Preisgestaltung. Das wirft bei Spediteuren die Frage auf, ob und in welchem Umfang sie versichert sind. Thilo Wandel: „Für die bestehenden Verkehrshaftungs-Policen konnten wir mit den meisten Versicherern vereinbaren, dass die Haftung sowohl nach den ADSp 2003 als auch nach den ADSp 2016 versichert ist. Generell sollten uns unsere Speditionskunden aber – wie schon bisher – ansprechen, wenn sie ein anderes Rahmenwerk als die ADSp 2003 oder 2016 vereinbaren wollen.“ Sofern man das beachtet, sagt Wandel, werde sich in der Praxis zunächst nichts ändern. Perspektivisch sei aber damit zu rechnen, dass sich die Versicherungsprämie für die Spediteure verteuert, da die Haftung bei Vereinbarung der neuen ADSp höher ist. Auf der anderen Seite könnte die Neuregelung für die Verlader eine niedrigere Transport-Versicherungsprämie mit sich bringen, da die Schadenbelastung für sie geringer ausfallen dürfte. 

„Das Transport-Geschäft ist ein wenig komplizierter und unübersichtlicher geworden“, so Thilo Wandel. „Mittelfristig ist aber davon auszugehen, dass sich eines der neuen Bedingungswerke – DTLB oder ADSp 2016 – durchsetzt. Es ist aber auch nicht ganz auszuschließen, dass sich die verladende Wirtschaft und die Logistikverbände doch noch auf ein gemeinsames Bedingungswerk verständigen werden und die Karten nochmals neu gemischt werden. Bis dahin muss genau darauf geachtet werden, wer mit welchen Bedingungen arbeitet und was das für die Versicherung bedeutet.“

 

01.05.2020

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Thilo Wandel

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