Interview: Wie die Gen Z die Arbeitswelt verändert

In wenigen Jahren sind die Millennials und die Generation Z die Mehrheit auf dem Arbeitsmarkt – und mit ihnen ihre Wertevorstellungen. Dr. Monika V. Kronbügel, Vorstandsmitglied des Bundesverbands der Personalmanager, spricht im Interview darüber, wie das die Zukunft der Arbeitswelt verändert, was sich die nächste Generation wünscht und warum Unternehmen sich nicht davor verschließen sollten.

Dr. Monika V. Kronbügel ist Expertin für Organisations- und Personalentwicklung. Sie hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in Vertrieb, Marketing und Geschäftsentwicklung zur Erschließung neuer Märkte. Seit mehr als zehn Jahren ist sie geschäftsführende Gesellschafterin und Verantwortliche für People & Organization bei Global DiVision. Seit 2019 ist sie im Vorstand des Bundesverbands der Personalmanager. Mit ihrer Arbeit beweist sie, dass Unternehmen und Menschen langfristig erfolgreich sind, wenn Internationalität, Interkulturalität und lokale Gegebenheiten zusammenspielen.

Frage: Frau Dr. Kronbügel, den Millenials und der Generation Z wird gern mal nachgesagt, dass sie zu faul sind und nicht richtig arbeiten wollen. Stimmt das?
Ganz klar: nein.

Warum hält sich dann dieses Narrativ so hartnäckig?
Das liegt an der Eltern- und Großelterngeneration, die komplett anders aufgewachsen sind. Ich selbst gehöre zur Generation X. Wir haben von zuhause mitbekommen, dass immer arbeiten und immer noch mehr geben das höchste aller Ziele ist. Höher, schneller, weiter – und dafür musst du Einsatz zeigen.

Worüber definiert sich die ältere Generation?
Über Überstunden, 24/7 bereit sein. Weshalb alles, was weniger ist, automatisch als faul angesehen wird. Nur weil die jetzt nachrückende Generation einen anderen Lebensplan für sich entwickelt haben. Die sagen „ich arbeite, um zu leben“ und nicht „ich lebe, um zu arbeiten“. Die Führungsebene, die auf die Generation Y und Z blickt, das sind ja die Generationen davor. Die bestimmen die Perspektive. Und deshalb das Narrativ.

Welche Werte sind denn der Generation Y und Z wichtig?
Zunächst mal sind sie viel wertegesteuerter. Es ist weniger das Geld, sondern eher Lebensqualität. Das ist ihnen mitgegeben worden. Denn auch ihre Elterngeneration will letztlich nur das, was alle Elterngenerationen für ihre Kinder wollen: dass sie es einfacher und besser haben als sie.

Wohlfühlfaktor über Gehalt also?
Sie wollen, dass ihre Persönlichkeit geschätzt und respektiert wird. Teils erpresserische Führungsmethoden, das funktioniert für diese Generation nicht. Das will an sich ja auch keiner.

Die Generation Y und Z starten aber auch mit ganz anderen Voraussetzungen, oder?
Meine Großeltern sind im Krieg groß geworden. In der Nachkriegszeit ging es ums Sparen. Jede Mark wurde umgedreht. Das Ziel war der Wohlstand. Das haben die älteren für die jüngere Generation erreicht. Deshalb sind die Gen Y und Z schon viel näher dran am nächsten Ziel: sich selbst zu verwirklichen.

Die Werte der jungen Generationen unterscheiden sich teilweise krass von den vorigen. Inwieweit sollten Unternehmen darauf eingehen: komplett einlassen oder in gewissen Dingen auch hart bleiben?
Unternehmen können sich heute nicht mehr den Luxus leisten, nur Forderungen zu stellen. Wir befinden uns mittlerweile in einem Arbeitnehmendenmarkt. Ich stelle mir gerade das Unternehmen vor, das komplett hart bleibt. Schon kurzfristig dürfte dies Probleme haben, neue Mitarbeitende zu bekommen. Das wird schwierig, aber auch hochinteressant.

Inwiefern?
Da treffen in solchen Fällen zwei Welten aufeinander. Teilweise arbeiten heute sogar vier bis fünf unterschiedliche Generationen in einem Unternehmen zusammen. Das sind unterschiedlichste Kulturkreise, die da aufeinandertreffen. Da sollten wir uns viel mehr Gedanken über Jobsharing machen. Auf allen Ebenen. Auch in der Unternehmensführung.

So viele Generationen unter einem Firmendach – wie schafft man es, dass möglichst alle zufrieden sind?
Da geht es meiner Meinung nach weniger darum, sich auf jede einzelne Generation einzustellen. Der Mensch ist ein Individuum. Als Arbeitgebende sollte man sich deshalb um das jeweilige Potenzial kümmern. Ein Unternehmen ist ein Organismus – und muss dementsprechend gesund geführt werden.

Klingt zeitintensiv.
Ja, aber da bin ich sehr klar: Wenn du erfolgreich sein willst, in einem Markt, der künftig von den Arbeitnehmenden bestimmt wird, dann nimmst du dir besser die Zeit.

Wenn wir über individuelle Potenziale sprechen: Kann das auch eine Chance sein, zurzeit unattraktive Berufe wieder attraktiv zu machen?
Ich kann immer wieder nur an die Eltern appellieren. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich offenbar das Narrativ verfestigt, ein Studium sei der Weisheit letzter Schluss. Es gibt viele junge Menschen, die gern etwas mit ihren Händen machen würden. Dann kommen aber die Eltern und sagen: „Jaja, das kannst du ja immer noch machen. Dann kombinierst du das mit einem Ingenieurstudium.“ Hauptsache studieren.

… was Ihrer Meinung nach der falsche Ansatz ist.
Als Eltern wollen wir doch, dass unsere Kinder glücklich sind. Deshalb sollten wir doch bitte aufhören, sie durch ein System zu drücken, das sie gar nicht möchten. Es gibt nach wie vor genügend junge Menschen, die gern helfen wollen. Die in pflegende Berufe möchten. Aber wir hindern sie daran, weil wir sagen: Das ist doch nichts wert.

Aber wie ändern wir dieses System denn?
Spontan habe ich keine Antwort darauf. Immer wieder darüber sprechen, sich Gedanken machen. Unsere Einstellung dazu ändern. Wir müssen aber weg von dem System, in dem der Handwerksmeistertitel weniger wert ist als der Master-Abschluss.

Ein Ansatz, dass System zu ändern, ist die 4-Tage-Woche. Viele tun sich damit allerdings schwer. In Bewerbungsgesprächen scheint es noch ein Tabuthema zu sein.
Dabei ist doch nicht die Frage, warum sie gefordert wird, sondern welche Vergütung die Bewerbenden dafür haben wollen. Momentan herrscht in vielen Köpfen die Denkweise: „Wie? Der oder die will Gehalt für fünf Tage, aber nur vier arbeiten?“ Die gibt es sicherlich. Nur: Für die meisten ist es in Ordnung, wenn die Vergütung den vier Tagen angemessen ist. Davon bin ich überzeugt.

Aus Sicht des Personalmanagements: Wo sind die intrinsischen Trigger, damit sich die Generation Y und Z in meinem Unternehmen bewerben?
Schwierig. Das ist bislang wenig erforscht. Richtlinien gibt es dafür noch keine, soweit ich weiß. Aber die sozialen Medien sollte man genau beobachten. Dort sehen wir, was die jungen Menschen interessiert. Die Algorithmen dafür kann man nutzen, um zu erkennen, was sie anspricht.

Machen die bisherigen Bewerbungsprozesse für die junge Generation noch Sinn? Stichwort Assessment Center.
Ich war noch nie ein Fan von Fragebögen, die unter Zeitdruck beantwortet werden müssen. Wir setzen die Menschen dadurch einer Stresssituation aus. Da bekommen wir keine validen Ergebnisse.

Was wäre besser?
Die Aufgaben müssen moderner werden. Man kann über mehrtägige Gruppenarbeiten nachdenken. Da lassen sich viel besser individuelle Tendenzen erkennen

Was ist mit den klassischen Bewerbungsunterlagen?
Im Vergleich zu früher wird es schon besser. Ich finde, das Medium Video könnte beispielsweise noch mehr genutzt werden. Wenn ich mich online bewerbe, muss ich oft trotzdem noch ellenlange Formulare ausfüllen. Wieso also nicht kurz per Video vorstellen, hochladen und bewerben. Das muss reichen. Videobewerbungen sind für mich die Zukunft. Darauf gilt es, sich im Personalmanagement einzustellen.

… also alles kompakter, schneller und einfacher.
Genau.

Wie sieht es denn in Sachen Arbeitsplatz aus? Hat das Büro ausgedient?
Da brauchen wir ganz unterschiedliche Modelle. Das Büro wird sich meiner Ansicht nach in Zukunft auf die Headquarters beschränken. Damit man einen Ort hat, an dem man sich trifft und austauscht. Das wäre der „First Place of Work“.

Gefolgt vom?
… „Second“ und „Third Place to Work” – dem Homeoffice und dem Anywhere. Denn warum sollten Arbeitnehmende in dafür geeigneten Berufen nicht auch auf Mallorca oder eben „anywhere“ arbeiten.

Das ist aber mit gewissen Arbeitsschutzregeln verbunden.
Ja, aber nur zu sagen „deshalb geht das nicht“, ist für mich der falsche Ansatz. Ich denke, der Ansatz muss eher lauten „wie regeln wir das in der Zukunft“. Es geht doch darum, dass der Job erledigt wird. Weshalb muss ich als Arbeitgebender kontrollieren, wie, wann und wo das gemacht wird?

Wie groß ist die Bereitschaft der Unternehmen, sich darauf einzulassen?
Sie könnte gern noch größer sein. Der Schmerz ist aber offenbar noch nicht groß genug, um es mal so zu formulieren.

Wie meinen Sie das?
Dass aus Sicht vieler Unternehmen der Personalmangel noch eklatanter werden muss, damit als einzige Lösung übrigbleibt, endlich etwas zu ändern.

Sehen Sie da großes Konfliktpotenzial?
Nicht, wenn man sich gegenseitig zuhört. Aber vor allem Unternehmen bzw. führendes Personal der älteren Generation dürfen gern damit aufhören, von oben herab zu predigen. Nach dem Motto „ich lebe schon viel länger als du, ich erkläre dir mal, wie das läuft“. Hört den jungen Menschen doch bitte einfach mal zu, was für sie wichtig ist.

 

30.05.2023