FISG: Was ändert sich für Wirtschaftsprüfer*innen?

Am 1. Juli 2021 trat das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) in Kraft. Iris Pfeifer, Key Account Financial Lines, und Dr. Alexander Skorna, Leitung Funk Business Development, zeigen die Folgen für den Versicherungsschutz von Wirtschaftsprüfer*innen und welche innovativen Lösungen es gibt.

 

Weshalb wurde das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität erlassen und welche Ziele verfolgt es?

Iris Pfeifer: Der Skandal um den Fall Wirecard hat das Vertrauen in die Prüftestate nachhaltig geschwächt. Das Gesetz soll dieses Vertrauen in  gesetzliche Abschlussprüfer*innen wieder stärken und zugleich eine höhere Transparenz und Qualität für die Unternehmen sowie für die Abschlussprüfer*innen selbst schaffen. Dabei liegt der Fokus auf Änderungen im Handelsgesetzbuch (HGB) und in der Wirtschaftsprüferordnung. Es wurden insbesondere die zivilrechtliche Prüferhaftung ­­­– einhergehend mit einer erheblichen Erhöhung der Haftungsgrenzen – das Bilanzstrafrecht und die Bußgeldvorschriften verschärft. Übrigens ist es bemerkenswert, wie schnell der Gesetzgeber auf das Desaster um Wirecard reagiert hat: Im Juni 2020 wurde der Insolvenzantrag von Wirecard gestellt und knapp ein Jahr später, am 1. Juli 2021, ist das FISG bereits in Kraft getreten.

Welche Änderungen enthält das FISG im Detail?

Iris Pfeifer: Wesentlich sind die erheblich gestiegenen Haftungsgrenzen bei der gesetzlichen Abschlussprüfung bis hin zu einer unbegrenzten Haftung im Fall der groben Fahrlässigkeit bei der Prüfung der sogenannten PIEs* gem. § 323 II Kategorie 1 HGB (*PIE = Public Interest Entity, Unternehmen von öffentlichem Interesse).

Haftungsverschärfung § 323 Abs. 2 neu HGB

Haftungsverschärfung Status quo FISG
Leichte Fahrlässigkeit Grobe Fahrlässigkeit
Anhebung der Haftungsgrenzen § 323 II HGB Kapitalmarktorientierte KapG 4.000.000 € 16.000.000 € Unbegrenzt
Sonstige Kreditinstitute / Versicherungsunternehmen 1.000.000 € 4.000.000 € 32.000.000 €
Sonstige Kapitalgesellschaften 1.000.000 € 1.500.000 € 12.000.000 €
Streichung der Haftungsgrenzen § 323 II HGB Unbegrenzte Haftung nur bei Vorsatz Unbegrenzte Haftung bei Vorsatz und bei kapitalmarktorientierten Gesellschaften bei grober Fahrlässigkeit
Neuer strafrechtlicher Tatbestand § 332 III HGB Deliktische Haftung nur bei Vorsatz Strafrechtliche Relevanz
Deliktische Haftung gem. § 823 II BGB i. V. m. § 332 III HGB als mögliches Schutzgesetz ggü. allen Geschädigten bei PIEs, ggf. auch bei grober Fahrlässigkeit

Wie wirken sich die Verschärfungen auf den Versicherungsschutz von Wirtschaftsprüfer*innen aus?

Iris Pfeifer: Sofern der Wirtschaftsprüfer oder die Wirtschaftsprüferin in der gesetzlichen Abschlussprüfung oder den sogenannten Verweistätigkeiten tätig wird, stellt das FISG im versicherungstechnischen Sinne eine gesetzliche Risikoerhöhung dar. Alle Versicherer versehen dies grundsätzlichen mit einem Prämienzuschlag. Darüber hinaus muss individuell geprüft werden, ob die bestehenden Versicherungssummen und Jahreshöchstleistungen ausreichend sind. Für den Wirtschaftsprüfer oder die Wirtschaftsprüferin bedeutet dies einen doppelten Prämienaufschlag.

Wie geht der Versicherungsmarkt mit dieser Situation um?

Iris Pfeifer: Dies ist für den Erst- und auch Rückversicherungsmarkt kalkulatorisch sehr schwer zu beurteilen, da die Schadenfälle aus dem Bereich der gesetzlichen Abschlussprüfung und Verweistätigkeit in den jetzt vom Gesetzgeber vorgegebenen Höhen und Fahrlässigkeitsgraden nahezu unbekannt sind. Die Versicherer sind in ihrer Beurteilung sehr heterogen und jeder Versicherer verfolgt einen anderen Ansatz. Die Zuschläge für das FISG sind aufgrund der geschilderten Unsicherheiten hoch. Allerdings greifen die Haftungsverschärfungen erst für Prüfungen von Jahresabschlüssen des Geschäftsjahres 2022, sodass mit ersten Schäden bzw. Anfechtungen der Prüfungsergebnisse im Verlauf des Jahres 2023 zu rechnen ist. So werden die Prämie bzw. die Aufschläge aufgrund des FISG für 2022 teilweise nur anteilig fällig.

Dr. Alexander Skorna: Wir befinden uns hier im Segment der Sparte Vermögensschaden-Haftpflicht, in der grundsätzlich eine angespannte Marktsituation vorherrscht. Viele Corona-induzierte Schäden laufen im Rückversicherungsmarkt in dieser Sparte auf und belasten diese erheblich. Auch Versicherungssummen und die Erweiterungen  von Jahreshöchstleistungen sind nur mit einem erheblichen Zuschlag zu erhalten. Auch hier liegt ein Teil des Problems in der Akkumulation der Risiken im Rückversicherungsmarkt, wo gerade hohe Limits oder die nun in Rede stehende unbegrenzte Haftung auch bei grober Fahrlässigkeit zu kalkulatorischen Herausforderungen führen. Teilweise werden sie gar nicht bzw. nicht in den notwendigen gewünschten Höhen angeboten.

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Eine schwierige und unübersichtliche Situation: Wie unterstützt Funk?

Dr. Alexander Skorna: Wir schaffen hier für unsere Kunden im Rahmen von detaillierten Risikoanalysen und intensiven Gespräche individuelle Lösungen, die auch finanziell tragbar sind. Im Zuge eines Stresstests prüfen wir, ob die bestehende Versicherungssummenstruktur zu den gesetzlichen Haftungsverschärfungen passt. Auch eine Strafrechtschutz-Versicherung kann die ganzheitliche Absicherung von Wirtschaftsprüfer*innen ergänzen. Darüber hinaus erstellen wir wie gewohnt eine Transparenz der Angebote aller Anbieter am Markt. Zusätzlich können gerade für Großkanzleien in diesem zunehmend angespannten Marktumfeld auch alternative Versicherungslösungen eine Möglichkeit darstellen, den Versicherungsschutz auf den benötigten Umfang qualitativ und quantitativ auszuweiten.

Können Sie diese alternativen Versicherungslösungen konkretisieren?

Dr. Alexander Skorna: Neben der Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung sind insbesondere der Bereich Sach-/Betriebsunterbrechungs- sowie Cyber-Versicherung derzeit angespannt. Selbstbehalte und Prämien steigen, teilweise finden Versicherungsnehmer keinen ausreichenden Versicherungsschutz am Markt. In diesen Fällen bietet sich eine Ausweitung der Eigentragung der versicherten Unternehmen an. Sogenannte unternehmenseigene Versicherungen wie strukturierte Lösungen, virtuelle Captives oder echte Captive-Strukturen ermöglichen eine Eigentragung von Risiken außerhalb der Unternehmensbilanz und glätten damit die Großschaden-bedingte Volatilität mitsamt dem schwer zu kalkulierenden Liquiditätsbedarf. So könnten Kanzleien fehlende Kapazitäten im Angebot der Versicherungswirtschaft durch ihre eigene Eigentragungsstruktur auffangen und auch den Versicherungsschutz im Umfang verbreitern.

 

Wie unterscheiden sich diese Lösungen von einem klassischen Selbstbehalt?

Dr. Alexander Skorna: Anstelle eines klassischen Selbstbehalts, bei dem nur begrenzt Rückstellungen für zukünftige Schäden in der Bilanz gebildet werden können, finanziert ein Unternehmen bei strukturierten Lösungen bzw. Captive-Modellen das Risiko durch eine adäquat ermittelte Prämie quasi auf sein eigenes Risiko-Konto – und begleicht eventuell auftretende Schäden ebenfalls von diesem Budget. Bleibt es bei einer geringen Schadenlast, erzielen Unternehmen sogar Überschüsse aus der Risikotragung. Bei konkretem Interesse stellen wir Ihnen diese Modelle gerne näher vor.  

 

09.12.2021

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