Parametrische Versicherung: Wenn der Schaden automatisch reguliert wird

Die Digitalisierung hat zu signifikanten Fortschritten im Bereich kostengünstiger Sensorik und intelligenter Algorithmen sowie im abgesicherten Datenaustausch geführt. Im Rahmen dieser Entwicklungen entstehen auch neue, vielversprechende Anwendungsfelder für das Konzept parametrischer Versicherungslösungen. Bereits seit einigen Jahren werden diese beispielsweise in der Landwirtschaft zur Absicherung von Wetterrisiken genutzt – und könnten bald auch in der Maschinenbruch-Versicherung zum Einsatz kommen.

Das Grundprinzip parametrischer Versicherungen ist verhältnismäßig einfach: Der Versicherer reguliert Schäden nicht anhand von Angaben, die der Versicherungsnehmer im Nachgang eines Schadens macht, sondern direkt bei Schadeneintritt. Die Basis für die Regulierung bilden dabei verifizierte Messwerte zu bestimmten Parametern, die vorher definiert wurden. Im konventionellen Fall von Wetter- oder Naturgefahren-Versicherungen können zum Beispiel die Temperatur, Erdbebenstärken, die Größe von Hagelkörnern oder Hochwasserstände als Parameter in den Policen fixiert werden.

Wird der vertraglich festgelegte Grenzwert überschritten, etwa die Niederschlagsmenge pro Zeiteinheit während eines Unwetters, erfolgt auf diesen sogenannten Trigger automatisch die vertraglich vereinbarte Schadenzahlung. Der Versicherer reguliert hier ohne Schadennachweis oder -begutachtung – einzig die deckungsauslösenden Sensormesswerte müssen verifiziert vorliegen. In der Regel stammen die Datengrundlagen bislang von staatlichen Behörden oder validierten Messstationen. Die Manipulation der Sensorwerte ist damit nahezu ausgeschlossen.

 

Evolution des Risikotransfers

„Die Effizienzpotenziale liegen auf der Hand“, sagt Manuel Zimmermann, Manager Beyond Insurance bei Funk. „Umso spannender ist die Idee, auch andere Versicherungsprodukte zu parametrisieren und vorhandene Datenquellen in Kombination mit neuen Technologien zu nutzen.“ Bislang blieben parametrische Versicherungslösungen oft hinter den hohen Erwartungen von Versicherern wie auch Versicherungsnehmern zurück. Die zunehmende Digitalisierung von Industrie und Wirtschaft könnte nun allerdings für eine Evolution der Risikotransfer-Mechanismen sorgen. Denn besonders in Fabriken sowie an modernen Maschinen und Großanlagen stehen durch Sensorik und Co. immer mehr potenziell geeignete Parameter zur Verfügung. Auf dieser Basis könnte beispielsweise auch die Maschinenbruch-Versicherung parametrisiert werden. Die Voraussetzungen für neue Produktentwicklungen in diesem Bereich werden dabei durch drei konkrete technologische Disziplinen erfüllt:

„Jeder versicherungsrelevante Schaden macht sich durch eine Änderung von Zuständen bemerkbar – und wird demzufolge in einem entsprechend digitalisierten Umfeld auch in den Datenströmen sichtbar.“

Manuel Zimmermann, Manager Beyond Insurance

1. Sensorik: digitaler Spiegel für Schadenereignisse

Der flächendeckende Einsatz sogenannter Low-Cost-Sensorik und die Entwicklung leistungsfähiger Multisensoren ermöglichen eine bessere Erfassung zahlreicher realer Zustandsdaten in digitalen Systemen. Die Stichworte „digitaler Schatten“ und „digitaler Zwilling“ umreißen das Ziel dieser Entwicklung: ein perfektes digitales Abbild der physischen Welt. „Jeder versicherungsrelevante Schaden macht sich durch eine Änderung von Zuständen bemerkbar und wird demzufolge in einem entsprechend digitalisierten Umfeld auch in den Datenströmen sichtbar“, erklärt Manuel Zimmermann. „Daher ist auch die  Parametrisierung einiger Versicherungslösungen grundsätzlich denkbar.“

2. Künstliche Intelligenz: Datenmuster als Basis für neue Lösungen

Durch die steigenden Rechenleistungen von Computerprozessoren können immer leistungsfähigere Algorithmen und neue Methoden der Datenauswertung ihren Weg in die praktische Anwendung finden. Sie ermöglichen es, auch große und unstrukturierte Datenmengen, Big Data genannt, auszuwerten und volatile Echtzeitdaten in historische Datensets zu integrieren. Dadurch lässt sich die zentrale Anforderung parametrischer Versicherungen erfüllen: Es muss sichergestellt sein, dass versicherungsrelevante Ereignisse sich in den erfassten Datenströmen als spezifische Muster niederschlagen. Bei der Wetter-Versicherung genügte es bisher, sich auf einzelne Datentypen, wie die lokale Niederschlagsmenge pro Zeiteinheit, zu beziehen, um damit eine ausreichend hohe Korrelation zwischen Daten und Schaden herzustellen. „Im industriellen Umfeld, beispielsweise mit Blick auf versicherungsrelevante Maschinenschäden, sind deutlich mehr Parameter nötig“, betont Dr. Alexander Skorna, Leiter Business Development bei Funk. „Durch das sogenannte ‚Internet of Things‘, kurz IoT, sind diese jetzt allerdings auch verfügbar und können von Unternehmen genutzt werden.“

Die technologischen Anforderungen beschränken sich jedoch nicht nur darauf, das Auftreten von Schadenereignissen verlässlich aus Datenströmen herauslesen zu können. Um entsprechende Prämien für parametrische Versicherungspolicen kalkulieren zu können, ist auch eine hinreichend exakte Korrelation der Schadenhöhe mit spezifischen Parameterkonstellationen notwendig. Spätestens an dieser Stelle gewinnen historische Daten und der Einsatz künstlicher Intelligenz, kurz KI, an Relevanz, um aus der Erfahrung heraus verschiedene Arten von Schäden mit repräsentativen Schadenhöhen zu verknüpfen. Dr. Alexander Skorna: „Mit diesem Gesamtbild aus Mustern in den erfassten Daten, dadurch angezeigten Schadenereignissen sowie folglich entstandenen Schadenhöhen lässt sich der versicherungsrelevante Vorgang ‚end-to-end‘ über moderne Technologien abbilden.“

 

3. Blockchain: Transparenz und Vertrauen durch Datenversiegelung

Zu guter Letzt tragen auch die Fortschritte im Bereich der Blockchain dazu bei, neue Potenziale durch die Parametrisierung von Versicherungslösungen praxisfähig umzusetzen. Der Beitrag der Blockchain besteht vor allem darin, eine Vertrauensbasis zwischen den beteiligten Akteuren zu schaffen: Versicherungsnehmer, Versicherungsmakler und Risikoträger. Anders als bei der Wetter-Versicherung kann die Messung der versicherungsrelevanten Trigger-Parameter im Maschinenbereich nicht über einen unabhängigen Dritten erfolgen, der die Daten unbeeinflussbar zur Verfügung stellt. Vielmehr befindet sich die für die Trigger verantwortliche Sensorik direkt an den zu versichernden Objekten, wie zum Beispiel Produktionsanlagen – und damit im unmittelbaren Einflussbereich des Versicherungsnehmers. Aus Sicht des Risikoträgers könnten Zweifel an der Authentizität der Daten aufkommen, die ihn schließlich automatisiert zu einer Schadenzahlung verpflichten. An dieser Stelle kommen Blockchain-Lösungen ins Spiel. „Durch die Versiegelung der Messwerte unmittelbar am IoT-Device, etwa an einem smarten Sensor, wird eine unbemerkte, nachträgliche Veränderung ausgeschlossen“, erläutert Manuel Zimmermann. Stattdessen stehen die Werte allen Beteiligten über eine Cloud-Architektur unmittelbar zur Verfügung. So kann im Schadenfall beim Risikoträger eine automatisierte Validierung erfolgen.
 

Ein Zusammenspiel moderner Technologien: das Konzept parametrischer Versicherungslösungen.


Eine lohnenswerte Investition

Praxistaugliche parametrische Versicherungslösungen auf Grundlage innovativer, IoT-basierter Trigger sind in der anfänglichen Konzeptionierung zunächst sehr aufwendig. Im Vergleich dazu gestalten sich Produktentwicklung und Underwriting im Kontext konventioneller Policen vergleichsweise einfach. Nach Vertragsschluss kehrt sich dieses Verhältnis jedoch um: 

Lernen Sie Funk Beyond Insurance kennen!

Auch bei unserer neuen Dienstleistung, die Industrie 4.0 mit Risiko- und Versicherungsmanagement vereint, stehen moderne Technologien im Fokus.

Jetzt entdecken

Während normalerweise nach einem Schadenfall von mehreren Parteien großer Aufwand betrieben wird, um diesen zu regulieren, laufen im Rahmen parametrischer Konzepte alle notwendigen Prozesse automatisiert ab. Funk hat sich daher das Ziel gesetzt, geeignete Anwendungsfälle in verschiedenen Branchen und Versicherungssparten zu identifizieren, für die parametrische Lösungen sowohl skalierbar als auch mit überschaubaren Adaptionen übertragbar sind. 

Verschiedenste Sensorik-Systeme und weitere Grundbausteine des IoT halten unaufhaltsam Einzug in die Prozesslandschaften der Versicherungsnehmer – mit oder ohne Zutun der Versicherungswirtschaft. Auch Anwendungen aus dem Bereich der künstlichen Intelligenz werden zunehmend beherrschbar und über spezialisierte Anbieter einer breiten Masse an Unternehmen zugänglich gemacht. Auf diese Weise können sie als Baustein der digitalen Transformation genutzt und zur Weiterentwicklung des eigenen Geschäftsmodells instrumentalisiert werden. Diese Konstellation stellt eine optimale Ausgangslage zur Entwicklung innovativer Ansätze in Form von parametrischen Versicherungslösungen dar. Denn so können die Akteure der Versicherungswirtschaft weiterhin auf ihre originären Kernkompetenzen bauen, ohne sich der Digitalisierung zu verschließen.

Ihre Ansprechpartner

Manuel Zimmermann

Dr. Alexander Skorna Ansprechpartner bei Funk

Dr. Alexander Skorna