Naturgefahren im Fokus internationaler Versicherungsprogramme
Die weltweite Zunahme von Naturkatastrophen hat die Bedeutung von Naturgefahren in internationalen Versicherungsprogrammen deutlich erhöht. Während traditionelle Risikozonen wie Hurrikane in Nord- und Mittelamerika oder Flutwellen im Pazifik weiterhin im Mittelpunkt stehen, rücken nun auch Regionen in den Fokus, die bisher als weniger gefährdet galten. Insbesondere Europa ist zunehmend von extremen Wetterereignissen betroffen. Daher sind Anpassungen der Versicherungssysteme und der gesetzlichen Vorgaben erforderlich.
Europa als wachsende Risikoregion
Diese Entwicklung wird durch die jüngsten Ereignisse in Spanien verdeutlicht. Ungewöhnlich starke Regenfälle führten Ende Oktober 2024 zu verheerenden Überschwemmungen in den Regionen Valencia, Andalusien und Murcia. Innerhalb von nur acht Stunden fielen bis zu 420 Millimeter Niederschlag und lösten Sturzfluten und Schlammlawinen aus. Mehr als 155 Quadratkilometer Land wurden überflutet. Rund 190.000 Menschen waren direkt betroffen, und die Zahl der Todesopfer stieg auf mindestens 220.
Auch im September führten anhaltende Starkregenfälle durch das Tiefdruckgebiet Boris (in Deutschland Anett) zu schweren Überschwemmungen in Mitteleuropa. Besonders betroffen waren Österreich, Tschechien, Polen, Rumänien und Deutschland. Diese Katastrophen unterstreichen die Notwendigkeit, die Versicherungssysteme an die sich ändernden Klimabedingungen anzupassen.
Versicherungsreformen in Europa
Zunehmend reagieren Länder in Europa auf die steigenden Schäden durch Naturkatastrophen mit weitreichenden Anpassungen ihrer Versicherungssysteme.
Diese Maßnahmen umfassen sowohl die Erhöhung bestehender Pflichtbeiträge als auch die Einführung gesetzlicher Versicherungspflichten, um den gestiegenen Anforderungen gerecht zu werden.
An einigen Beispielen aus europäischen Ländern lässt sich dieser Trend verdeutlichen:
1. Erhöhung bestehender Pflichtbeiträge
In Ländern mit etablierten Versicherungssystemen für Naturgefahren werden die Beiträge deutlich erhöht, um den gestiegenen Risiken und Kosten gerecht zu werden:
- Frankreich: Ab dem 1. Januar 2025 wird der Beitragszuschlag für das Cat Nat-System von 12 % auf 20 % erhöht.
- Türkei: Seit Anfang 2024 wurden die Prämien für den lokalen Pflicht-Tarif für Erdbeben je nach Region um bis zu 40 % erhöht.
- Spanien: Für 2025 wird eine Erhöhung der Consorcio-Prämien erwartet, um die steigende Schadenbelastung auszugleichen. Bei jeder Versicherungspolice wird ein Teil der Prämie an die öffentliche Institution Consorcio de Compensación de Seguros abgeführt. Dieser Beitrag fließt in einen Fonds, der im Falle eines außergewöhnlichen Ereignisses Schutz bietet. Dieser Schutz erstreckt sich nicht nur auf Überschwemmungen, sondern auch auf Erdbeben, Vulkanausbrüche, Hurrikane, Tsunamis und andere Naturereignisse von großem Ausmaß. Tritt eine dieser Katastrophen ein, übernimmt das Consorcio die Deckung der entstandenen Schäden entsprechend der in der Police versicherten Summe und Deckungsleistungen.
2. Einführung gesetzlicher Versicherungspflichten
Einige Länder setzen auf neue gesetzliche Vorgaben, um den Versicherungsschutz für Unternehmen verpflichtend auszuweiten:
- Italien: Ein Gesetz zur Pflichtversicherung gegen Naturgefahren wurde angekündigt. Demnach müssen alle in Italien ansässigen Unternehmen ihre Gebäude gegen Naturkatastrophen versichern. Der aktuelle Entwurf sieht eine Umsetzung bis zum 31. Dezember 2024 vor, enthält jedoch technische und rechtliche Mängel sowie Ungenauigkeiten, die vor Veröffentlichung korrigiert werden müssen. Die geplante 90-Tage-Frist ab der Veröffentlichung, innerhalb derer alle Unternehmen ihre Gebäude gegen Naturkatastrophen versichert haben sollten, gilt als unrealistisch. Nach aktuellem Stand (29.11.2024) wird die Verpflichtung voraussichtlich nicht vor dem 31. Dezember 2025 in Kraft treten. Ein staatliches finanzielles Engagement bleibt unklar.
- Griechenland: Ab 2025 müssen Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 2 Mio. Euro im Jahr, eine Versicherung für Buschfeuer, Überschwemmungen und Erdbeben abschließen. Diese muss mindestens 70 % des Buchwerts von Gebäuden, Einrichtung und Vorräten abdecken. Bei Nicht-Erfüllung drohen Strafen von 10.000 Euro. Grundsätzlich besteht für größere Unternehmen in Griechenland die Möglichkeit, sich gegen die genannten Naturgefahren für größere Unternehmen zu versichern, allerdings nur in Ergänzung zu einer bestehenden Feuerversicherung. Ein staatliches Engagement ist hier nicht vorgesehen.
Elementar-Versicherung: Sinnvoller Schutz vor Naturgewalten
Wie lassen sich Naturgefahren zuverlässig absichern? Wir geben Überblick über die aktuelle Risikolage.
Mehr erfahrenAusblick auf zukünftige Entwicklungen
Die zunehmende Intensität und Häufigkeit von Naturkatastrophen werden voraussichtlich weitere Anpassungen der Versicherungssysteme und gesetzlichen Vorgaben in Europa erforderlich machen. Auch in Deutschland wird immer wieder über eine Elementarschaden-Pflichtversicherung für private Wohngebäude diskutiert. Das Thema wird nicht mehr abreißen und auch Gegenstand von Bundestagswahlprogrammen und Koalitionsverhandlungen sein. Die Versicherer bereiten sich daher auf mögliche Szenarien vor. Unternehmen sollten diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen, da sich dadurch Kostensteigerungen für nationale und internationale Versicherungsprogramme ergeben können. Zudem rückt auch die Risikoprävention verstärkt in den Vordergrund.
03.01.2025