„Als Unternehmer bist du nie am Ziel!“

Frank Thelen gilt als einer der kreativsten Vordenker der Digitalisierung in Europa. Im Interview äußert er sich darüber, wie Innovation im Unternehmen gelingen kann und welche Fehler man dabei unbedingt vermeiden sollte.

Frank Thelen

Frank Thelen, Jahrgang 1975, ist Gründer, Technologie-Investor und TV-Persönlichkeit („Die Höhle der Löwen“). Als Gründer und CEO von „Freigeist“ konzentriert er sich auf Frühphasen-Investitionen wie Lilium Aviation, Ankerkraut, Wunderlist oder myTaxi. Seine Produkte haben mehr als 100 Millionen Kund*innen in mehr als 60 Ländern erreicht.

In der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ (DHDL) haben Sie zahlreiche Start-ups kennengelernt und mussten diese anhand eines kurzen Pitchs bewerten. Auf welche Parameter haben Sie dabei besonders geachtet?

In der Show habe ich immer besonders darauf geachtet, ob das Unternehmen einen unfairen Vorteil hat, also ob die Gründer*innen einen Wettbewerbsvorteil hatten, den wir durch die TV-Show effektiv nutzen konnten. Außerdem musste ich spüren, dass die gründenden Personen für ihr Produkt brennen und dass wir auf einer Wellenlänge sind. Inzwischen sehen die Parameter etwas anders aus, da ich seit meinem Ausstieg aus DHDL nur noch in Tech-Start-ups investiere. Hier achte ich in erster Linie darauf, ob die Technologie ein zentrales Problem löst und ob die Gründer*innen sie umsetzen können.

 

Viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung, sich in einem sich disruptiv verändernden Markt neu erfinden zu müssen. Wie kann ein solches Unternehmen innovativ werden bzw. bleiben?

Zunächst ist es für diese Unternehmen extrem wichtig, dass sie verstehen, wie Disruption funktioniert. Wer nicht bereit ist, sich selbst zu disruptieren, wird von anderen disruptiert. Wenn man das einmal begriffen hat, fallen progressive Entscheidungen in Richtung Fortschritt auch leichter, auch wenn diese Veränderung bedeuten und Veränderung gerade in größeren Unternehmen meist mühsam ist.

In Ihrer Autobiografie schreiben Sie, dass Sie als Schüler viel Zeit auf dem Skateboard verbracht haben. Gibt es etwas, was Sie vom Skateboardfahren fürs (Berufs-) Leben gelernt haben?

Ja, absolut. Beim Skateboardfahren habe ich gelernt, immer wieder aufzustehen. Man lernt keinen Trick, ohne nicht vorher Hunderte Male hinzufallen. Entscheidend ist, dass man es so lange versucht, bis es irgendwann klappt. Ähnlich ist es auch beim Gründen einer Firma – man wird unweigerlich viele böse Fehler machen und darf sich von solchen Rückschlägen nicht unterkriegen lassen. Man muss weiterkämpfen.

 

Was bedeutet das konkret für einen deutschen Mittelständler?

Setzt euch mit den Technologien, die eure Branche in Zukunft lenken werden, schon heute auseinander. Auch wenn KI, 5G, Sensoren, IoT und Co. für manche noch nach Zukunftsmusik klingen – diese Technologien werden schon sehr bald beinahe jede Branche tiefgreifend verändern. Wer hier frühzeitig seine Chancen erkennt und nutzt, hat in meinen Augen die besten Voraussetzungen, am Ende das Rennen zu gewinnen und den Markt zu dominieren. Wer sich hingegen vor diesen Veränderungen verschließt, wird es zukünftig schwer haben, sich gegen innovativere Wettbewerber zu behaupten.

 

Welche Rolle spielt die Unternehmenskultur, wenn es um Innovationen geht?

Eine sehr entscheidende. Es ist wichtig, dass innerhalb eines Unternehmens flache Hierarchien herrschen und der Austausch zwischen den unterschiedlichen Bereichen gefördert wird. Mitarbeitende sollten dazu motiviert werden, eigenständig zu denken und Lösungen zu finden. Wenn nur noch irgendwelche Prozesse abgearbeitet werden, findet keine Innovation mehr statt, weil niemand diese Prozesse hinterfragt, und das ist sehr schädlich für die Innovationskultur eines Unternehmens.

 

Sie sind selbst Unternehmer und denken sehr unternehmerisch. Die Märkte ändern sich heute in vielerlei Hinsicht – Stichwort Digitalisierung. Welche persönlichen Qualitäten müssen Unternehmer*innen selbst mitbringen, wenn sie ihr Unternehmen verändern wollen bzw. in einem sich verändernden Markt wettbewerbsfähig bleiben wollen?

Unternehmer*innen müssen wissbegierig sein und sich ständig weiterentwickeln und weiterbilden wollen. Man sollte für seine Branche und sein Produkt brennen und aus Passion heraus gründen und natürlich bereit sein, hart zu arbeiten – und zwar konstant. Als Unternehmer*in bist du nie am Ziel – denn durch den technologischen Fortschritt werden die Karten ständig neu gemischt. Deshalb muss man flexibel und wandelbar bleiben und sich und sein Produkt ständig neu challengen.

 

Sie haben viele Kontakte nach China, in die USA und in andere Länder. Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund den Stand der Digitalisierung in Deutschland? Wie stehen wir im internationalen Wettbewerb da? Was sollte sich verbessern?

Ich bin ein Freund von klaren Worten: Es steht nicht gut um Deutschland im internationalen Vergleich. Aus der ersten Phase der Digitalisierung sind mit Technologien wie Internet, Smartphone und Cloud in den USA und China Unternehmen im Wert von inzwischen 4,8 Billionen Euro entstanden. Der komplette Dax 30 kommt gerademal auf 1,2 Billionen. Und dieser Trend wird sich vermutlich weiter fortsetzen. Mit neuen Technologien entstehen komplett neue Branchen mit riesigen Marktkapitalisierungen. Aber solange Deutschland Digitalisierung nicht mutig und konsequent umsetzt, werden wir hier nicht mitspielen. In China kann man zum Beispiel an jedem Straßenstand mobil bezahlen – in Deutschland nicht mal in allen Supermärkten. Wir haben kein verlässliches Netz, unser Staat ist nicht digitalisiert, und unsere Gesellschaft hat Angst vor Veränderungen. Das ist eigentlich das größte Problem. Wir müssen schon bei der Bildung ansetzen, um die nächsten Generationen auf eine digitalisierte Welt vorzubereiten. Wir brauchen Informatik auf den Lehrplänen, kein Latein. Und wir müssen den Entscheider*innen von morgen ein anderes Mindset vermitteln, damit sie progressiv und fortschrittlich die Zukunft Deutschlands gestalten.

 

Gibt es einen „Werkzeugkasten“, den sich Unternehmen, die innovativ sein wollen, zulegen sollten?

Den gibt es. Ich habe ihn in meiner Autobiografie als „Baukasten der Zukunft” beschrieben. Dort finden sich u. a. Technologien wie KI, Cloud-Computing, Blockchain, 3D-Druck und Roboter. Unternehmen, die die Technologien aus diesem Baukasten beherrschen und einsetzen, werden in meinen Augen zukünftig die Big Player ihrer Branche sein.

 

Die Versicherungsbranche gilt allgemein als nicht sehr innovationsfreudig. Wie sehen Sie vor diesem Hintergrund den Stand bei den InsurTechs in Deutschland?

Auch in der Versicherungsbranche können neue technologische Entwicklungen zur Optimierung und Automatisierung von Prozessen beitragen. Wenn die Versicherungsbranche auf diese Veränderungen nicht reagiert, könnten InsurTechs zukünftig schlichtweg die effizienteren und somit besseren Anbieter sein. Aber auch hier gilt: Die Gesellschaft muss dies zunächst erkennen und das Neue akzeptieren. Aktuell ist mein Gefühl, dass die meisten Leute noch lieber mit einem echten Menschen in Kontakt stehen als mit einer KI.

 

Zum Schluss unseres Interviews bitten wir Sie noch um einen Blick in die Kristallkugel: Bitte nennen Sie drei Themen, die in fünf Jahren für Unternehmer*innen und Unternehmen von zentraler Bedeutung sein werden.

KI, Blockchain, Voice. Diese drei Themen werden schon sehr bald sämtliche Branchen und somit alle Unternehmen etwas angehen. 

Autobiografie „Start-up DNA“

„Start-up DNA. Hinfallen, Aufstehen, Die Welt verändern.“ So heißt die Biografie des Mannes, der als Investor in der TV-Show „Die Höhle der Löwen“ bekannt wurde. Eine packende Lebensgeschichte und ein spannender Blick hinter die Kulissen von Wirtschaft, Politik, TV. Der Ausnahme-Unternehmer erzählt zum ersten Mal die Story seines Lebens.